Mit dem PPP-Stipendium ein Jahr nach Missouri, USA - ein Erfahrungsbericht

09.05.2018

Die USA – Vor meinem Auslandsjahr war dies ein vollkommen fremdes Land für mich.
Nachdem ich nun als PPP-Stipendiatin ein Jahr in dem US-Bundesstaat Missouri im Mittleren Westen des Landes verbracht habe, kann ich sagen, dass sich dies geändert hat.

Je näher der Abreisetag, der 25. August 2016, rückte, desto größer wurde auch meine Aufregung. Zwar hatte ich zu meiner Gastfamilie schon Kontakt, als ich noch in Deutschland war, jedoch war sie für mich immer noch eine „fremde“ Familie.
Demzufolge fiel der Abschied am Flughafen in Berlin schwer, aber sobald ich mit weiteren Austauschschülerinnen und Austauschschülern im Flugzeug saß, verwandelte sich die Aufregung größtenteils in Vorfreude.

Nach einem 8-stündigen Flug von Frankfurt nach Chicago, fiel mein Anschlussflug, der mich schließlich zu meiner Gastfamilie bringen sollte, aus. Nachdem ich also die Nacht in Chicago verbrachte, kam ich am nächsten Tag im Südwesten von Missouri am Flughafen der Stadt Springfield an. Das Adjektiv „chaotisch“ beschreibt meine Anreise also sehr passend.

Am Flughafen angekommen jedoch, empfing mich meine Gastfamilie sehr herzlich mit selbstgebastelten Plakaten, die unter anderem mit Aufschriften wie zum Beispiel „Welcome to the USA“ oder „Welcome to our family“ versehen waren.
Ich war sehr erleichtert, dass meine Gastfamilie sich anscheinend wirklich über meine Ankunft freute und nun stand meinem „Abenteuer Ausland“ nichts mehr im Weg.

Meine ersten Wochen in Amerika waren sehr ereignisreich und ich erhielt jeden Tag neue Eindrücke. Ich war geradezu überwältigt von der Anzahl an Menschen, die ich täglich kennenlernte.
Es war spannend, aber auch ungewohnt, die amerikanische Kultur zu erleben und selbst zu leben. Meine Gastfamilie hat mich wie ein richtiges Familienmitglied aufgenommen und ich verstand mich mit meinen Gasteltern sowie mit meinen drei Gastschwestern sehr gut. Dass meine 14-jährige Gastschwester auf die gleiche High School wie ich ging, hat mir den Schulstart und den Beginn meines Auslandsjahres sehr erleichtert.

Bevor ich jedoch, drei Tage nach meiner Ankunft, meinen ersten Schultag erlebte, war schon mein Ankunftstag gefüllt mit Erlebnissen und ich spürte zum ersten Mal, was mit dem berühmten 'School Spirit' gemeint war. Gemeinsam mit meiner Gastfamilie und ihren Freunden besuchte ich mein erstes Football Game. Da es das erste Spiel der Saison war, stand es unter einem Thema, zu dem sich die Fans, darunter wir, verkleiden konnten. So kam es, dass ich an meinem ersten Tag in den USA in einer griechischen Toga zu einem Football Game ging. Während des Spieles wurde ich unglaublich vielen Menschen aller Altersklassen vorgestellt und schnell wurde mir bewusst, dass ich ein Problem mit dem Namenmerken haben würde.

Drei Tage später, am Montag, ging ich zum ersten Mal in die High School. Bevor jedoch mein erster Kurs begann, musste ich meinen Stundenplan zusammenstellen.
Da meine Schule mit 750 Schülern für amerikanische Verhältnisse eher klein war, merkte ich mir schnell, wo sich meine Räume befinden und auf den Fluren erkannte ich einige Gesichter, die ich zuvor beim Football Spiel gesehen hatte.

Nach einigen Wochen kehrte eine gewisse Routine in meinen Alltag ein, jedoch war es immer noch spannend, die Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen der amerikanischen und der deutschen Kultur zu erleben.
Einige meiner Erwartungen an die Kultur der Amerikaner wurden erfüllt. Ein sehr wichtiger Bestandteil des Lebens aller Generationen dort ist Sport. Natürlich kann ich nur davon berichten, welchen Eindruck ich in meiner Kleinstadt erhielt, jedoch habe ich dies auch von anderen PPP-Stipendiatinnen und -Stipendiaten bestätigt bekommen. Es war sehr wichtig für meine Gastfamilie unsere Schule bei Wettkämpfen verschiedener Sportarten durch Anwesenheit zu unterstützen. Schülerinnen und Schüler, die einen Sport an der High  School betreiben, haben jeden Tag in der Woche Training und/oder einen Wettkampf.

Ein Vorurteil, das sich für mich nicht bestätigt hat, ist das Bild von festen Cliquen in der Schule, wie sie in amerikanischen Filmen dargestellt sind, und die es für neue Schüler wie mich schwer machen, Anschluss zu finden. Entgegen meiner Erwartungen waren alle Schüler sehr interessiert an der europäischen und deutschen Kultur und verhielten sich  mir gegenüber offen.
Die Kurse, die ich an meiner High School belegte, fand ich alle sehr interessant und sie machten mir viel Spaß. Neben Kursen wie American History, American Literature, American Government und Choir standen Kurse wie Spanish, Pre-Calculus, ein Fotografiekurs sowie Deutsch auf meinem Stundenplan. Der Deutschunterricht war eine völlig neue Erfahrung für mich und ich freute mich immer auf diesen Kurs, da ich oft die Gelegenheit bekam, meinen Mitschülern über Deutschland zu berichten, aber auch selbst Fragen über die amerikanische Kultur zu stellen.

Die folgenden Monate vergingen sehr schnell, was wohl daran lag, dass ich unglaublich viel erlebte. Neben dem täglichen Besuch der High School unternahm ich an den Wochenenden und nach der Schule viel mit meiner Gastfamilie und mit meinen Freunden.
Da die Footballsaison schon im Oktober endete, besuchen wir nun häufig die Basketball- und Wrestlingspiele, um unsere Schulteams zu unterstützen.

Ein besonderes Ereignis war die Präsidentschaftswahl der USA. Ich hatte mich schon vorher auf eine Art „politischen Kulturschock“ eingestellt, da ich für ein Jahr von einer Millionenmetropole in eine ländliche Region eines republikanisch geprägten Staats gezogen war.
Natürlich hatten wir schon in Deutschland viel über die anstehende US-Wahl geredet, diskutiert und über den Ausgang fantasiert. Um das Land, in dem ich zuvor noch nie gewesen war, zu verstehen, versuchte ich meine eigene Meinung erst einmal auszublenden, anderen Sichtweisen offen gegenüberzustehen und mit verschiedenen Menschen über die Wahl zu reden.
Zum Einen unterhielt ich mich oft mit meiner Gastfamilie über dieses Thema. Auch wenn meine Gastgeschwister noch kein wirkliches Interesse am politischen Geschehen zeigten, was wohl ihrem Alter geschuldet war, hatte ich einige Gespräche und auch Diskussionen mit meinen Gasteltern.

Das Thema der Wahl war allgegenwärtig und wurde in den Fernsehnachrichten sowie auch im Radio ausführlich behandelt. Auf der alltäglichen Rückfahrt von der High School im Auto meines Gastvaters tauschten wir häufig unsere Meinungen aus und ich fand es sehr interessant, mehr über die Sichtweisen eines „echten“ Amerikaners zu erfahren. Ohne es direkt auszusprechen gab mein Gastvater mir zu verstehen, wen der beiden Hauptkandidaten er vorhatte zu wählen. Ihm ging es so, wie den meisten Leuten, mit denen ich geredet hatte: Er mochte weder Clinton noch Trump. Also ging es bei ihm um die Frage „Wen hasse ich weniger?“. Es ist sehr wichtig für ihn, wählen zu gehen, denn er sieht es als seine Pflicht und Schuld gegenüber denjenigen an, die die Demokratie in den USA ermöglicht haben.
Während wir also meine kleine Gastschwester von der Grundschule abholten, erklärte er mir, warum er denkt, dass Trump besser als Präsident für das Land geeignet sei. Er betonte, dass er sich selbst weder vollständig als Republikaner noch als Demokrat bezeichnen würde und dass es ihm bei dieser Wahl sehr schwer fiel sich zu entscheiden. Was Trump in seinen Augen geeigneter für das Amt des 45. US-Präsidenten mache, sei, dass er kein Karrierepolitiker sei, er sei einer „von ihnen“. Oder jedenfalls wird der Multimilliardär von vielen so gesehen. Seine Direktheit kommt auch bei meinem Gastvater, der auch im Familienleben großen Wert auf Ehrlichkeit legt, besser an als die Lügen und Skandale von Hillary Clinton. Das Land brauche eine drastische Veränderung und nicht nur einen weiteren Politiker, der redet, aber keine Taten folgen lässt. Hoffnung auf Veränderung. Das ist das, was Trump auch in meinem Gastvater weckte. Nach Obamas Amtszeit sieht er einige wirtschaftliche und soziale Probleme im Land. Dazu zählen auch die hohen Kosten für die Krankenversicherung und im allgemeinen das Gesundheitssystem, dass auch seine Familie belastet. Auch im weiteren Verlauf unseres Gesprächs argumentierte er mit überwiegend mit innenpolitischen Problemen, die als Lösung andere Ansätze fordern. Über die internationale Wirkung Trumps oder seine außenpolitischen Pläne redete mein Gastvater nicht. Ich denke, dass er dieses aber nicht aus Ignoranz nicht ansprach, sondern eher, weil er sich, so wie viele Amerikaner, mit denen ich gesprochen habe, nicht bewusst war, wie stark der Ausgang der Wahl die ganze Welt beeinflussen würde und wie sehr selbst wir uns in Europa damit beschäftigen. Er fragte mich auch nach meiner Sichtweise und ich erklärte ihm, was für mögliche Folgen der Sieg Trump international bedeuten würde. Auch wenn keiner von uns beiden nach dem Gespräch seine Meinung änderte, half es mir zumindest zu verstehen, warum Trump so viele Unterstützer hat.

Im späten Oktober besuchten meine Gastfamilie und ich ein Herbstfest, das der Arbeitgeber meiner Gastmutter veranstaltete. Seine Farm hätte amerikanischer nicht sein können: Das Haus war gigantisch und offensichtlich am Stil der Südstaaten orientiert, weiße Zäune erstreckten sich entlang der Felder und gleich in der Auffahrt des Hauses konnte man die erste von vielen US-Flaggen entdecken. Es war also nicht schwer zu erkennen, dass die Eigentümer stolze und patriotische Amerikaner waren.
Trotzdem war ich überwältigt, oder geschockt wäre vielleicht das passendere Wort, als ich eines der vielen Badezimmer betrat. Der überraschend kleine Raum war voll mit republikanischer Dekoration. Was von Anfang an ziemlich offensichtlich war, wurde also hiermit bestätigt. Neben kleinen Elefantenfiguren, die die republikanische Partei symbolisieren, hingen einige „Trump for President“-Plakate an den Wänden und überall, auf Ablagen und sogar dem Waschbecken, lagen Wahlanstecker für die republikanischen Präsidentschaftskandidaten der vergangenen Jahre. All dies in einem winzigen Raum wirkte überwältigend und ließ mich nur erahnen, wie der Rest des Hauses, den ich nicht zu sehen bekam, aussehen musste.

Zum Abschluss des Abends hingen die Gastgeber zwei Piñatas auf. Eine davon sollte Hillary Clinton und die andere Donald Trump darstellen. Da das Ziel einer Piñata ist, dass man darauf einschlägt und letztendlich vollständig zerstört, wurde wieder einmal bestätigt, dass keiner der beiden besonders beliebt war. Jedoch blieb Trump die ganze Zeit über verschont, denn alle Gäste, zu denen ungefähr 40 Leute verschiedenes Alters zählten, schlugen auf Clinton ein. Mit verbundenen Augen fiel es den meisten jedoch schwer sie zu finden und wenn sie versehentlich die Trump-Piñata berührten, ging sofort ein Aufschrei durch die Menge. Dies war auch der Grund, warum ich mich nicht an der ganzen Sache beteiligen wollte. Als meiner Gastfamilie jedoch auffiel, dass ich noch nicht an der Reihe gewesen war, beschlossen sie einfach, dass sich das jetzt ändern würde. Auch ich hatte keine Orientierung, nachdem ich mit verbundenen Augen mehrere Male im Kreis gedreht wurde. Zum Glück war Trumps Piñata, die erste, die ich fand und ein weiteres Mal hörte ich ein einstimmiges „Nein!“ von den anderen Gästen. Ich hatte für einen Moment überlegt, ob ich mich einfach anpassen sollte und ihn verschonen sollte, aber das kam mir falsch vor. Stattdessen schlug ich die Trumppiñata mit drei Schlägen kaputt und Süßigkeiten fielen auf den Boden. Als Hillary sich schließlich auch geschlagen gab, kam nichts weiter als geschreddertes Papier, das eine Anspielung an ihren Email-Skandal war, heraus.
Die Frage, die sich mir nach diesem Abend stellte, war, was Trump wohl dazu sagen würde, wenn er wüsste, dass ein traditionell mexikanisches Spiel ihn zu Fall gebracht hat?

Nun stand der Tag der Wahl kurz bevor und überall schien es nur dieses eine Thema zu geben. Als Hausaufgabe in meinem Politikkurs in der High School wurde es uns aufgetragen, die Presidential Debates, die Debatten, bei denen die Kandidaten der Republikaner und der Demokraten verschiedene Fragen zu ihren Plänen und Lösungsansätzen für Probleme beantworten müssen. Meine Gastfamilie verfolgte diese nur beiläufig, da sie zur Zeit der Ausstrahlung einige Termine hatten. Dafür aber wurde in der Schule viel darüber geredet. Auch wenn beide Kandidaten sich nicht unbedingt von einer komplett anderen Seite präsentiert haben, heizte es die Aufregung auf die anstehende Wahl noch einmal an.

In der Schule war auch sehr klar, das der Großteil mit Trump mitfieberte. Von einigen wusste man es schon von ihren Instagramprofilen, auf denen sie Bilder mit dem #trumptrain teilten und andere verkündeten ihre Meinung lauthals vor, während und nach dem Unterricht.
In meinem Politikkurs fiel mir auf, wie einfach es mein Lehrer darstellte, herauszufinden, ob man Republikaner oder Demokrat ist. Er meinte, es gäbe drei Fragen die man für sich selbst beantworten müsse und danach wüsste man, was man ist: Waffen, Abtreibung und die Homoehe. Um jedoch sicher sein zu können, sollte mein Kurs im Rahmen seines Unterrichts die Fragen eines Online-Tests beantworten, die größtenteils unsere Meinungen zu kontroversen Themen forderten. Wer wollte, konnte danach sein Ergebnis mit dem Kurs teilen, gezwungen waren wir aber natürlich nicht.
Während die meisten Lehrer ihre eigene Meinung nicht durchblicken ließen, wirkte es auf mich so, als würden viele Schüler durch ihr Unterstützen von Trump einfach polarisieren und provozieren wollen. Dies fiel mir insbesondere in meinem Spanischkurs auf. Dadurch, dass meine Schule in Deutschland kein Spanisch als Unterrichtsfach anbietet, musste ich an meiner amerikanischen High School den Anfängerkurs belegen, der zum Großteil aus 9.-Klässlern bestand. Häufig kam das Thema „Trump“ auf und es entwickelte sich beinahe zu einem Running Gag. Da wir ein Spanischkurs waren, war es absehbar, dass früher oder später jemand das Thema der von Trump geplanten Mauer zwischen den USA und Mexiko aufbrachte. Inwiefern die begeisterten Kommentare dafür ernst gemeint waren, kann ich nicht beurteilen aber was feststeht ist, dass sich durch Trump eine Art Gruppendynamik entwickelte, ein Gefühl dass etwas verändert werden kann. Allzu ernst nahm ich das, was die anderen Schüler in meinem Kurs sagten aber nicht, da einiges ganz offensichtlich nur zur Provokation meiner Lehrerin oder auch mir gesagt wurde, da sie meine Meinung zu dem Thema kannten.

Am 8. November 2016 wurden schließlich die Wahlkabinen in allen amerikanischen Bundesstaaten geöffnet. Vom frühen Abend bis in die Nacht hinein schauten wir die Nachrichten, in denen die Ergebnisse in den einzelnen Staaten bekanntgegeben wurden. Ich war mir sicher, dass Clinton gewinnen würde, während meine Gastfamilie auf Trump setzte und hoffte – und sie sollten recht behalten. In vielen Staaten war das Ergebnis so knapp, dass die Stimmen erneut gezählt wurden mussten.
Als ich morgens aufwachte las ich die Nachrichten, die meine Freunde aus Deutschland mir gesendet hatten. Darunter waren solche wie „Na wie ist es in einem Trump Amerika aufzuwachen?“ oder manchmal bekam ich auch nur einfache Beileidsbekundungen. Zusammengefasst verhielten sich meine deutschen Freunde und Familie so, als sei die Apokalypse ausgebrochen.
Das komplette Gegenteil erwartete mich jedoch in der Schule, wo unzählige Schüler mit Trump-Shirts durch die Gänge stolzierten und nur wenige so pessimistisch schauten wie ich.

Von der Wahl bis zur Amtseinführung im Januar 2017 blieb die Begeisterung für Trump auf ihrem Höhepunkt. Danach hatte ich das Gefühl, als sei die Aufregung vorbei und das Thema rückte in den Hintergrund. Fast niemand redete über Trumps erste Amtshandlungen, wie zum Beispiel den äußerst umstrittenen „Muslim Ban“. Ich weiß nicht, ob dies daran lag, dass sie Trumps Fehler nun erkannten, oder dass einfach kein richtiges politisches Interesse vorhanden war. Vermutlich war es eine Mischung aus beidem.
Als ich meinen Gastvater darauf ansprach, wie sehr mir aufgefallen ist, dass niemand mehr über den neuen Präsidenten redet, meinte er, dass Trump hauptsächlich wegen seiner außenpolitischen Handlungen umstritten ist. In ländlichen Regionen im Mittleren Westen, in Städten wie der, in der ich mein Auslandsjahr verbrachte, haben die Menschen das Gefühl, als betreffe sie das nicht. Sie spüren keine Auswirkungen dieser Entscheidungen, also interessiert es sie eher weniger.

Ein weiteres Highlight der letzten Monate waren die zahlreichen Feiertage.
Am 24. November 2016 haben wir das nach dem 4th of July, dem Unabhängigkeitstag der USA, zweitwichtigste amerikanische Fest gefeiert – Thanksgiving. Dieser Feiertag hat seinen Ursprung im 17. Jahrhundert, jedoch wurde er im Jahr 1789 zum ersten Mal offiziell in allen Staaten der USA gefeiert.
Schon vor dem 24. November war Thanksgiving überall präsent. Ich verbrachte mein Jahr im Süd-Westen des Bundesstaats Missouri. Diese Region gehört zum „Bible Belt“, dem „Bibelgürtel“ der USA, in dem Religion einen essentiellen Bestandteil des alltäglichen Lebens darstellt. Viele Menschen trugen T-Shirts mit Psalmen aus der Bibel, es wurden Herbstfeste veranstaltet und überall sah man das Symbol des Feiertages, den Truthahn.
Am Abend vor dem Fest sind meine Gastfamilie und ich zu meinen Gastgroßeltern gefahren, die ein Familienessen veranstaltet hatten. Das war auch der Grund, warum ich schon vor dem eigentlichen Thanksgiving zum ersten Mal den typisch amerikanisch zubereiteten Truthahn gegessen habe. Den nächsten Tag haben wir bei meinen anderen Gastgroßeltern verbracht und auch bei ihnen gab es Truthahn und jede Menge anderes Feiertagsessen.

Außerdem habe ich in der Vorweihnachtszeit bei einigen freiwilligen Aktionen mitgeholfen. Neben der wöchentlichen Mithilfe im Kindergottesdienst der Kirche meiner Gastfamilie habe ich gemeinsam mit Freunden und meiner Gastfamilie Geld für die gemeinnützige Organisation 'Salvation Army' gesammelt und Essen an bedürftige Kinder in der Grundschule verteilt.
Die Freiwilligenarbeit hat mich dahingehend bereichert, dass ich gemerkt habe, dass in dieser Region der USA das Gefühl von Gemeinschaft sehr stark ist und es deshalb auch viele Freiwillige gibt.
Der christliche Glaube ist meiner Gastfamilie sehr wichtig, woran ich mich erst gewöhnen musste. Es fiel mir schwer manche ihrer Sichtweisen nachzuvollziehen und mich in ihre Denkweisen hineinzuversetzen. Gemeinsam gingen wir zwei bis dreimal die Woche in die Kirche.

Kurz vor den Weihnachtsferien wurden in meiner High School die Abschlusstests für das Semester geschrieben, die hier als 'Finals' bekannt sind. Ich hatte erwartet, dass diese Tests schwerer als die vorherigen sein würden, was sie letztendlich aber nicht waren. Wenn ich Klausuren an meinem deutschen Gymnasium mit den Finals meiner amerikanischen High School vergleiche, fällt mir eindeutig der Unterschied in der Schwierigkeit auf. Während man in Deutschland mindestens eine Woche vor dem Klausurtag anfangen muss zu lernen, beginnt man hier ein bis zwei Tage vor dem Test.

Die Weihnachtsferien begonnen am 21. Dezember 2016. Wie man auch in amerikanischen Weihnachtsfilmen zu sehen bekommt, ist der 24. Dezember, Heilig Abend, nicht besonders wichtig und wird auch nicht gefeiert. Wir haben den Tag zu Hause verbracht und sind abends zu dem Haus meiner Gastgroßeltern gefahren, wo ich weitere Familienmitglieder kennengelernt habe. Das Ende des Tages haben wir mit einer Tradition meiner Gastfamilie beendet. Jedes Familienmitglied bekam einen Schlafanzug, den wir dann über Nacht getragen haben, um morgens darin unsere Geschenke auszupacken.
Der 25. Dezember, der hier als Christmas Day bezeichnet wird, hat für mich sehr früh begonnen, da meine kleine Gastschwester mich und meine Gastfamilie geweckt hat. Gemeinsam haben wir uns am Tannenbaum eingefunden und als erstes die 'Stockings', die unseren Nikolausstrümpfen gleichen, entleert. Danach packten wir unsere weiteren Geschenke aus. Anschließend lieferten meine Gastfamilie und ich gemeinsam mit weiteren Familien ihrer Kirchengemeinde Essen an ältere Menschen aus, die in der Weihnachtszeit sehr einsam sind oder selbst nicht mehr kochen können. Ich empfand dies als eine sehr schöne Geste und bin froh, dass wir einigen Menschen ein wenig Weihnachtsstimmung bereiten konnten.

Der Jahreswechsel wird, wie ich auch schon vorher von ehemaligen Austauschschülerinnen und Austauschschülern gehört hatte, dort nicht so sehr gefeiert wie beispielsweise in Deutschland. Ein Feuerwerk zu veranstalten ist nur außerhalb der Stadtgrenzen erlaubt. Ich habe den 'New Year's Eve' mit meiner Gastfamilie und meinen Freunden verbracht und er war trotz der fehlenden vertrauten Traditionen ein gelungener Abend.

Mit dem neuen Jahr kam auch die Kälte. Ich habe festgestellt, dass das Wetter in Missouri sehr wechselhaft ist und so kam es, dass ich an einem Tag in einem T-Shirt und Shorts mit dem Hund meiner Gastfamilie spazieren ging und zwei Tage später wegen zu viel Schnee die Schule ausfiel.

Ende Januar wurde es uns, als PPP-Stipendiatinnen und -Stipendiaten, durch den Deutschen Bundestag und den amerikanischen Kongress ermöglicht, eine Woche in Washington D:C: zu verbringen. Gemeinsam mit 90 weiteren Jugendlichen besichtigte ich viele Museen und Sehenswürdigkeiten der Hauptstadt der USA. Außerdem absolvierten wir zahlreiche politische Workshops und trafen sogar richtige Politiker aus dem Kongress, mit denen wir Gespräche führten. Es war sehr interessant so kurz nach der Amtseinführung mit Senatoren und Repräsentanten aus dem Kongress zu reden.
Ich bin sehr dankbar für diese Möglichkeit und kann sagen, dass dies das „Highlight“ meines Auslandsjahres war.

Die zweite Hälfte meiner Zeit in Amerika verging wie im Flug, da viele schulische Veranstaltungen stattfanden.
So reiste ich nur zwei Monate später im Rahmen der Abschlussfahrt meines Jahrgangs erneut nach Washington D.C. und außerdem nach New York. Diese Reise war eine wunderschöne Erfahrung, die auch meine Freundschaften stärkte.

Darauf folgte das, worauf sich wohl jeder Austauschschüler am meisten freut: Der Prom bzw. der Abschlussball. In den pompösen Kleidern fuhren alle Schüler des Abschlussjahrgangs und ihre Begleitungen in die nahegelegene Stadt Springfield, wo der Ball stattfand. Der Abend war ein unvergessliches Erlebnis, bei dem jeder tanzte und einfach Spaß hatte. Am Ende des Balls wurden selbstverständlich auch die Ballkönigin und der Ballkönig gekrönt.

Mit der Abschlusszeremonie im Mai kam auch mein letzter Schultag, der sich für mich wie ein erster Abschied anfühlte. Auch wenn dies natürlich traurig war, konnte ich mir keinen schöneren Abschluss vorstellen als die typisch amerikanische Graduation-Zeremonie mitzuerleben.

Mir blieben also nur noch wenige Wochen in den USA, die ich mit meiner Gastfamilie und mit meinen Freunden verbrachte.
Unter anderem reiste ich mit einer Freundin und ihrer Familie in die Südstaaten und besichtigte Städte wie Memphis und New Orleans.

Am 29. Juni 2016 war mein Auslandsjahr jedoch vorbei. Der Abschied am Flughafen war viel schwerer, als ich es mir ein Jahr vorher je hätte vorstellen können. Ich hatte so viele Freundschaften geschlossen und musste nun mein zweites zu Hause verlassen. Auch wenn dies mich traurig machte, ist es doch ein unglaubliches Glück an zwei Orten auf der Welt Familie und Freunde zu haben.

Nach einigen Monaten, in denen ich wieder in Deutschland bin, kann ich sagen, dass mein Jahr in den USA mich in jeder Hinsicht bereichert hat. Ich möchte mich für die Möglichkeit bedanken, die sich mir durch das PPP-Stipendium bot, ein kulturelles Abenteuer zu erleben, das mir einen komplett neuen Blickwinkel auf ein Land gegeben hat, von dem ich glaubte schon viel aus den Medien zu wissen. Durch diese Chance konnte ich die amerikanische Kultur nicht nur beobachten, sondern auch aktiv mit(er)leben und Menschen treffen, denen ich sonst wahrscheinlich nie begegnet wäre.

Antonia Schulz