Rede zum Bundeshaushalt im Deutschen Bundestag

16.05.2018

Diese Plenarwoche des Deutschen Bundestages steht im Zeichen der Debatte über den Bundeshaushalt.

Monika Grütters hielt am 16. Mai 2018 folgende Rede zum Einzelplan 04, der den Haushalt der Bundeskanzlerin und des Bundeskanzleramtes und damit auch der Kulturpolitik beinhaltet:

 

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!
Von Jean Sibelius, dem berühmten finnischen Komponisten, stammt das Bonmot: „Über Musik kann man am besten mit Bankdirektoren reden. Künstler redeten ja nur übers Geld.“ Zumindest die erste Behauptung, den Kunstsinn der Kassenhüter betreffend, deckt sich auch mit meinen persönlichen Erfahrungen. Nicht nur mit Bankdirektoren, auch mit Haushalts- und Finanzpolitikern kann man ganz hervorragend über Kultur reden – und das macht sich dann in Euro und Cent bezahlt, was wiederum Künstler und Kreative wie auch Kulturpolitiker freut.

Ich bin jedenfalls sehr zufrieden mit dem Ausgang der Gespräche zum Kultur- und Medienhaushalt 2018; denn erneut konnte die Kulturfinanzierung des Bundes signifikant gesteigert werden – zum Wohle zahlreicher kultureller Einrichtungen und Projekte im ganzen Land. Lassen Sie mich ganz kurz auf die wesentlichen Veränderungen eingehen.

Wie bereits im März in der Generaldebatte hier im Deutschen Bundestag angekündigt, ist es mein Ziel, in dieser Legislaturperiode die Aufarbeitung von und den Umgang mit Beständen aus kolonialen Kontexten in Sammlungen und Museen voranzubringen. Deshalb stocke ich mit meinem Haushalt 2018 die Mittel für Provenienzforschung ein weiteres Mal auf, um mehr als eine halbe Million Euro gegenüber dem ersten Regierungsentwurf. Für den Regierungsentwurf 2019, den wir derzeit erarbeiten, beabsichtige ich gerade in diesem Bereich weitere Erhöhungen.

Ein erster wichtiger Schritt war die Unterstützung des Deutschen Museumsbundes bei der Erarbeitung eines Leitfadens zum Umgang mit Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten. Den haben wir am Montag veröffentlicht. Ich bin sicher: Er wird sowohl den Museen als auch der Politik helfen, diesem anspruchsvollen und – das lernt man, wenn man sich damit befasst – sehr vielschichtigen Thema gerecht zu werden.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Dieser Aufgabe sollten und, ich glaube, müssen wir uns mit Aufrichtigkeit und Nachdruck stellen. Viel zu lange war die Kolonialzeit ein blinder Fleck in unserer Erinnerungskultur; und viel zu lange war das in dieser Zeit geschehene Unrecht vergessen und verdrängt. Es endlich ans Licht zu holen, ist Teil der historischen Verantwortung Deutschlands gegenüber den ehemaligen Kolonien und Voraussetzung für Versöhnung und Verständigung mit den dort lebenden Menschen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb ist es gut, dass diese Fragen auch mit dem Baufortschritt beim Humboldt Forum ins Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit gerückt sind. Dort haben wir gestern einstimmig – das ist richtig, Herr Jongen – mit allen in den Stiftungsrat entsandten Vertretern aus Parteien, der Regierung und Experten Hartmut Dorgerloh zum Generalintendanten gewählt. Dass wir diesen großen und, wie ich glaube, wichtigen Schritt in dieser Einmütigkeit getan haben – das war nicht unbedingt zu erwarten; freut mich aber umso mehr –,

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

zeigt, wie wirksam eine Kultur der Verständigung sein kann. Hartmut Dorgerloh wird diese – so beschreibt er selbst das Humboldt Forum – „Freistätte für Kunst und Wissenschaft“ der Allgemeinheit erschließen.

Ich danke an dieser Stelle ausdrücklich Neil MacGregor, der bislang gemeinsam mit Horst Bredekamp und Hermann Parzinger den inhaltlichen Feinschliff am Großprojekt Humboldt Forum vorgenommen hat. Es ist damit gut gerüstet für die letzten Monate bis zur Eröffnung Ende 2019. Ich möchte an dieser Stelle
auch ausdrücklich Herrn Staatssekretär Pronold danken – er ist leider gerade gegangen –, der das Projekt bisher vonseiten des Bundesbauministeriums ganz hervorragend gemanagt hat.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Im Humboldt Forum, dieser „Freistätte“, laden wir Besucher ein, Weltbürger zu sein. Wie wichtig es wieder geworden ist, demokratische Errungenschaften wie Kunstfreiheit, Pressefreiheit und Meinungsfreiheit aktiv zu verteidigen, müssen wir täglich – übrigens nicht nur mit Blick auf manche Nachbarländer – erleben. Immerhin darf Hajo Seppelt jetzt doch nach Russland einreisen. Aber wenn wir auf den dortigen Theatermacher Serebrennikow schauen, der nicht zum Theatertreffen kommen konnte, wenn wir sehen, wie schwer es unabhängige Journalisten in Ungarn haben, und wenn wir die zunehmende Einschränkung der Medienfreiheit in Polen durch das neue Mediengesetz beobachten, wenn wir mit ansehen müssen, wie Liu Xia, die Witwe des Schriftstellers Liu Xiaobo, in China leiden muss, oder wenn wir sehen, wie viele Künstler und Intellektuelle in der Türkei immer noch im Gefängnis sitzen, und wenn wir auch hierzulande mit Vorwürfen wie „Lügenpresse“ konfrontiert werden, spätestens dann wird klar, wie wichtig und notwendig auch hier bei uns wirksame Programme sind, die die Bürger, vor allem auch junge Menschen, für den Wert der Freiheit sensibilisieren.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Im Austausch mit Experten erarbeiten wir dazu im BKM weitere neue vertiefende Projekte zur Erinnerungskultur, zur Integration und zur Medienkompetenz. Die hierfür bereitgestellten Gelder dürften bestens investiert sein.

Meine Damen und Herren, die Steigerung des Kulturetats – ich komme zum Schluss – ist vor allem eins: Sie ist Ausdruck der Wertschätzung für Kultur und Medien in ihrer Bedeutung für eine offene demokratische Gesellschaft, für Verständnis und Verständigung, für gesellschaftlichen Zusammenhalt und Integration. Warum Künstler und Kreative Förderung und Unterstützung verdienen, hat der kürzlich verstorbene Kardinal Karl Lehmann, der heute an diesem 16. Mai seinen 82. Geburtstag gefeiert hätte, einmal so formuliert – ich zitiere –:

Weil wir in einem Zeitalter leben, das häufig vom Nutzenkalkül regiert wird, stellen wir in vielen Lebensbereichen nur Fragen, die wir auch knapp und effizient beantworten können – nennen wir sie einmal die kleinen Fragen. Deshalb sind Menschen so wichtig, die uns lehren, an den großen Fragen festzuhalten: Und da rangieren die Künstler sicherlich mit an vorderster Stelle. Sie stellen unsere oft eindimensional fest zementierten Weltbilder immer wieder heilsam in Frage.

So weit Kardinal Lehmann.

Auch hier im Deutschen Bundestag können wir oft nur die kleinen Fragen beantworten. Umso wichtiger ist es, dafür Sorge zu tragen, dass unsere Gesellschaft im Gespräch, in Verständigung auch und gerade über die großen Fragen bleibt. In diesem Sinne bitte ich Sie um Unterstützung meines Haushaltsentwurfs für Kultur und Medien in den anstehenden parlamentarischen Beratungen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie der Abg. Simone Barrientos [DIE LINKE])