
Foto: Kiepenheuer & Witsch
Dave Eggers erzählt in „Weit gegangen“ die Geschichte von Valentino Achak Deng, der als kleiner Junge aus seinem Heimatort Marial Bay vertrieben wird, als dieser von arabischen Reitertruppen dem Erdboden gleichgemacht wird. Der Autor und sein Protagonist haben sich über eine Hilfsorganisation für sudanesische Flüchtlinge kennengelernt und Eggers setzt dem dramatischen Flucht- und Lebensweg des Jungen, der nun in den USA lebt, mit „Weit gegangen“ ein beeindruckendes literarisches Denkmal.
Es ist eine oft alptraumhafte Welt, von der Eggers berichtet. Der Horror scheint auch nach der Flucht aus dem Sudan über Äthiopien bis nach Kenia nie zu enden. Mit einer großen, drei-, vierhundert Jungen zählenden Gruppe, den sogenannten Lost Boys, gelangt Achak nach monatelangen Märschen in ein äthiopisches Flüchtlingslager. Es ist schon schwer erträglich, zu lesen, wie auf den Märschen die Jungen nicht mehr weiter können und sich zum Sterben an einen Baum setzen, wie ihr Fleisch „zur Erde zurückkehrt“. Der Tod ist ständiger Begleiter auf dem Marsch, und die Erlebnisse lassen den Jungen auch später in den USA nicht los.
Achak muss dort mit neuen Lebensbedingungen zurechtkommen, unter anderem auch mit dem Rassismus, dem sich schwarze Menschen dort ausgesetzt sehen. Eggers hat dem oft nüchternen Bericht Achaks eine literarische Form gegeben. Im Laufe des Romas rückt man Achak immer näher. Man spürt, er ist kein gebrochener Mensch, dessen Leben „nur noch“ ein Leiden an seinen Traumata ist. Achak lernt schreiben und rechnen, schließt Freundschaften, lernt zu lieben, und er weiß seiner Situation auch manches Heitere abzugewinnen.
„Weit gegangen“ liest sich mitunter wie ein Entwicklungsroman, in dem das Grauen von Krieg, Flucht und Vertreibung aber immer präsent bleibt und ernstgenommen wird. Eggers gibt mit diesem Buch am Beispiel des Kriegsschreckens in Afrika den oft namenlosen Flüchtlingen unserer Zeit ein Gesicht und eine Stimme, die den Leser stärker und direkter packen, als viele Artikel in Tageszeitungen oder Nachrichtenberichte im Fernsehen es vermögen. Mit seinem 2008 erschienen Roman hat Dave Eggers ein Werk geschaffen, das nicht nur durch seine literarische Qualität besticht, sondern das auch an Aktualität in den vergangenen fast 15 Jahren leider nichts eingebüßt hat und das ich deshalb gerade jetzt wieder zur Lektüre empfehlen möchte.
Dave Eggers: Weit gegangen. Roman. Aus dem amerikanischen Englisch von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2008, 765 Seiten, 24,90€.
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