LESETIPP - Petra Morsbach „Justizpalast“

Thirza Zornigers Mutter taugt kaum als Vorbild: Für den sprunghaften Vater gibt sie sich und die juristische Karriere auf, wird zunächst zur frustrierten Gattin und anschließend zur Alkoholikerin. Die Tochter aber mit ihrem ausgeprägten Gerechtigkeitssinn macht ihren Weg im Leben – erst durch das Jurastudium, dann durch den Münchener Justizpalast. Ihr Recht- und Gerechtigkeitsempfinden wird dabei freilich zuweilen auf die Probe gestellt…

Zehn Jahre lang recherchierte Petra Morsbach für ihren neuen Roman, ließ jede Seite von juristischen Fachpersonen gegenlesen. So entstand eine präzise Milieustudie, die das Innerste unseres Justizsystems ausleuchtet. Mit ihrer klaren, an der Sprache der Justiz ausgerichteten Diktion legt Petra Morsbach Strukturen der Rechtsprechung wie ihre Charaktere bloß. Hehre Ideale prallen auf die alltäglichen Mühlen der Justiz - idealisiert oder beschönigt wird hier nichts.

"Auf einmal sah Thirza die ganze Ödnis ihres künftigen Lebens als einsame Palastrichterin vor sich: Arbeit bis zum Scheitel, Pflichterfüllung inmitten eines Meers von Empörung, Unglück und Gier, zähe Vergleiche, Urteile, die nichts heilen, nach jeder mühseligen Befriedung eine Woge neuer Fälle…"
Der Leser bleibt dabei nicht nur mit einem besseren Verständnis für unser Rechtswesen zurück, sondern auch mit großem Respekt vor der Arbeit des einzelnen Richters. Gleichzeitig legt Petra Morsbach den Finger in die Wunde menschlich, allzu menschlicher Leidenschaften und Schwächen – wie kleinlich und rechthaberisch ist der einzelne Bürger, im Privaten wie vor der Rechtsprechung? Ein Buch, das den Horizont erweitert und einmal mehr dank der fantasievoll-lakonischen Sprache ein pures Lesevergnügen ist.

„Justizpalast“ ist 2017 bei Knaus erschienen.