LESETIPP: „Toleranz: einfach schwer“ von Joachim Gauck

Das Buch „Toleranz: einfach schwer“ von Joachim Gauck, ist ein Plädoyer für eine recht verstandene Toleranz. Dazu beschreibt er 12 Aspekte der Toleranz, die den Kern des Buches ausmachen. Zentral dabei ist: Toleranz trägt einem Zwiespalt Rechnung: Da ist etwas, das ich nicht gut heiße, das mir zumindest fremd oder auch nur ungewohnt erscheint, aber trotzdem lasse ich es zu, bin ich bereit, damit zu leben. Toleranz ist in Situationen gefragt, in denen sie Selbstüberwindung kostet, in denen ich über meinen eigenen Schatten springen und meine persönliche Komfortzone verlassen muss. Toleranz ist auch eine Herausforderung, das wird im Buch sehr deutlich: Wer die Freiheitsrechte ernst nimmt, muss gerade auch Dinge aushalten, die irritieren. Ja, tolerant zu sein, ist eine Zumutung - eine Zumutung, die die Demokratie uns allen abverlangt, selbstverständlich auch denjenigen, die in den vergangenen Jahren erst hierher nach Deutschland gekommen sind. Niemand ist ausgenommen. Im Buch heißt es: „Konfrontiert mit der Vielfalt in einer freien, offenen Gesellschaft sagte mir mein Kopf: Das ist Pluralität, und Pluralität braucht Toleranz. Mein Gefühl hinkte aber hinterher - im Vertrauten fühlte ich mich sicherer.“ („Toleranz: einfach schwer“, S. 17f)

In urbanen Milieus mag es Menschen geben, die dafür - aus welchen Gründen auch immer - kein Verständnis haben, doch kaum jemand wird Joachim Gauck, der seine Weltoffenheit und Weltläufigkeit nicht zuletzt als Bundespräsident unter Beweis gestellt hat, ernsthaft unterstellen können, er mache sich im Eingeständnis seiner Verunsicherung angesichts des Unbekannten mit den populistischen Verächtern demokratischer Vielfalt gemein. Im Gegenteil: Er öffnet dem Leser, der Leserin damit eine Tür, sich mit eigenen Ängsten differenziert auseinander zu setzen - und das ist allemal besser, als diese Gefühle der Bewirtschaftung durch Populisten zu überlassen, die daraus politischen Profit für ihre Angriffe auf Demokratie, Freiheit und Pluralismus, für Hass und Hetze gegen Andersdenkende, Andersglaubende und Anderslebende ziehen.
Gerade in unserer heutigen Gesellschaft, in der alte Gewissheiten in Frage gestellt werden und die Suche nach Orientierung wächst, wünsche ich diesem Buch sehr viele Leserinnen und Leser.

Das Buch ist 2019 im Herder Verlag erschienen.

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