"Totenbuch" führt Grenzschicksale vor Augen

08.06.2017

Am 08.06.2017 wurde in der Gedenkstätte Berliner Mauer an die Schrecken des DDR-Grenzregimes erinnert. Monika Grütters sowie Prof. Dr. Klaus Schroeder und Dr. Jochen Staadt vom Forschungsverbund SED- Staat der Freien Universität Berlin stellten die Studie „Die Todesopfer des DDR-Grenzregimes an der innerdeutschen Grenze“ vor.

Monika Grütters betonte, wie wichtig gemeinsame Erinnerung und Aufarbeitung der dunklen Ereignisse der deutschen Geschichte sind. In ihrer Rede erläuterte sie, dass auf dem Buchumschlag ein DDR-Sozialversicherungsausweis zu sehen sei. Dieser gehörte dem 23-jährigen Fred Woitke, einem Straßenbauarbeiter, Vater zweier kleiner Töchter, getötet von neun Kugeln bei einem Fluchtversuch am Grenzübergang Marienborn am 21. April 1973. Des Weiteren nannte Monika Grütters stellvertretend für die Todesopfer des DDR-Regimes an der innerdeutschen Grenze, das jüngste und das älteste ermittelte Todesopfer. Sie unterstrich die Bedeutung der „Totenbücher“, die den Opfern ihre Würde über den Tod hinaus zurückgeben.

Monika Grütters appellierte daran, „die Erinnerung an die Schrecken des Grenzregimes an der ehemaligen innerdeutschen Grenze aufrecht zu erhalten“ und erläuterte, „[w]ir sind es den Menschen schuldig, die für Freiheit und Selbstentfaltung ihr Leben ließen. Wir stehen aber auch in der Verantwortung für eine demokratische Zukunft. Denn die Freiheit braucht auch dort Verteidiger, wo die Selbstentfaltung nicht an Mauern, Stacheldraht und Minenfeldern endet. Spätestens seit Demagogen, Populisten und Nationalisten auch in Deutschland wieder Beifall für ihre Angriffe auf demokratische Institutionen und Errungenschaften bekommen, ist offensichtlich, wie wichtig die bitteren Erkenntnisse aus der Aufarbeitung von NS-Terrorherrschaft und SED-Diktatur sind.“

Sie erläuterte, dass „[d]ie Auseinandersetzung mit Einzelschicksalen - die Erinnerung an Menschen, deren Sehnsucht nach Freiheit größer war als die Angst vor den Unterdrückern der Freiheit - kann motivieren, persönliche Handlungsspielräume nicht nur zu erkennen, sondern auch zu nutzen. Deshalb fördern wir Gedenkorte, die entlang des früheren Verlaufs des "Eisernen Vorhangs" an das DDR-Grenzregime erinnern...Die institutionelle Bundesförderung der Gedenkstätte Deutsche Teilung in Marienborn und des Deutsch-Deutschen Museums in Mödlareuth trägt dazu bei, die Erinnerung an die Schrecken des Grenzregimes lebendig zu halten. Beide Einrichtungen werden mit finanzieller Unterstützung auch aus meinem Etat in naher Zukunft neue Dauerausstellungen bekommen, um gerade die jüngere Generation noch besser zu erreichen. Dabei hilft auch das aus dem BKM-Haushalt finanzierte Koordinierende Zeitzeugenbüro, das - als gemeinsame Servicestelle der Bundesstiftung Aufarbeitung, der Stiftung Berliner Mauer und der Stiftung Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen - im gesamten Bundesgebiet Zeitzeugengespräche vermittelt.“

Denn, wie Monika Grütters betonte, „in der Auseinandersetzung mit einer Diktatur geht wohl nichts mehr unter die Haut, als einem Menschen zuzuhören, der ihre Repressionen selbst erlebt hat - zum Beispiel nach einem gescheiterten Fluchtversuch im Gefängnis.“

Ergebnis des Projekts ist ein Handbuch, das Biographien von 327 Todesopfern aus Ost und West enthält, denen das DDR – Grenzregime zum Verhängnis wurde.

Pressestimmen: http://www.deutschlandfunk.de/ddr-studie-dokumentation-ueber-todesopfer-an-der.1769.de.html?dram:article_id=388128

http://www.sueddeutsche.de/politik/ddr-emanuel-sechs-monate-opfer-des-ddr-regimes-1.3536677

Vollständige Rede der Kulturstaatsministerin Monika Grütters bei der Präsentation der Ergebnisse des Forschungs- und Dokumentationsprojekts "Die Todesopfer des DDR-Grenzregimes an der innerdeutschen Grenze"